Anti-Cybermobbing – Respektvoll On- und Offline

Max ist 12 Jahre, er ist Torwart in einem Fußballverein. Max ist eher ein sanftmütiger und emphatischer Junge. Fußball war noch nie seine Leidenschaft, aber sein Vater liebt Fußball und irgendwie haben die beiden dadurch einen gemeinsamen Nenner gefunden. Der Ton auf dem Fußballplatz ist rau und nicht immer einfach, aber das Teamgefühl überwiegt und wenn alle gemeinsam den Sieg nach Hause gebracht haben, ist da nur noch diese unfassbar schöne Stimmung und ein tolles WIR Gefühl.

 

Beim letzten Spiel hat Max ein Torangriff nicht halten können. Der Ball ging rein – „Scheiße, richtig scheiße“. Max hat sich schon schlecht gefühlt, da kam auch noch Tom angerannt, der Angeber und na ja auch der Beste der Mannschaft und blaffte Max an: „Du Idiot, du bist ne Niete! Nie hältst du den Ball“ „Den hätte doch jedes Baby gehalten – Penner“ Und schon war er wieder weg.

 

Autsch, das saß, Max war sauer über sich selbst und obendrein gedemütigt von Dennis. Musste das sein, so ein Idiot? Jetzt nur nicht heulen, dachte er. Da kam auch schon Jonas, sein bester Freund angelaufen und munterte ihn auf. „ Ach Max, du kennst ihn doch, komm den nächsten hältst du wieder“. „Zeig’s dem Penner“ und da war auch er schon wieder Richtung Mittelfeld unterwegs. Max schüttelte sich, dachte an Jonas Worte und konzentrierte sich wieder auf das Spiel.

 

Am Ende des Spiels gewann Max Mannschaft mit einem Punkt Vorsprung. Alle feierten ausgelassen. Tom kam noch kurz zu Max, von seinem Gerede auf dem Platz schien er nichts mehr zu wissen, ganz im Gegenteil, seine Worte: „Hey Max, super gehalten!“ Max konterte mit einem Lächeln: „Ach jetzt doch, Blödmann!“ Max hatte das auf dem Platz nicht ganz vergessen, aber jetzt ist auch gut. Er freute sich über Toms Worte und über den Sieg!

 

Eine klassische Konfliktsituation – Frontalangriff von „Mann zu Mann“. Direkt, klar, ungerecht, aber es gibt die Chance, sich zu wehren. Der Konflikt wird ausgetragen und kann bestenfalls aufgelöst werden.

 

Fast selbe Situation: Wieder Fußballplatz, wieder hält Max den Ball nicht, wieder beschimpft Tom ihn –

Nur diesmal bekommt Toms Freund am Spielfeld den Konflikt mit, macht ein Video und postet das auf Instagram und CO. Die Worte darunter: „Diese Niete Max hält nie einen Ball – DER KANN NICHTS – der sollte endlich die Mannschaft verlassen, damit wir wieder gewinnen“. Vom späteren Sieg, von der Feier, von Toms späteren Worte, vom WIR Gefühl steht da nichts. Tatsächlich bleibt bei Max, nachdem er diesen Post gelesen hat, auch von all den anschließenden positiven Gefühlen nichts mehr übrig. Ganz im Gegenteil, die Kommentare unter dem Post sind vernichtend. Viele Kinder, die da über ihn etwas schreiben, kennt er gar nicht. Und alle sind sich scheinbar einig.

ER KANN NICHTS – ER IST NICHT GUT GENUG – ER MUSS WEG.

Das steht da, schwarz auf weiß. All diese Kinder können sich doch nicht irren!

 

Keine Chance sich zu wehren, keine Chance den Konflikt aufzulösen, keine Chance, die positiven Gefühle des Siegs als WIR-Stärkung zu nutzen.

 

Was macht das mit einem 12-Jährigen, einem sanftmütigen und emphatischen Jungen?

 

Das ist nur eine Geschichte von vielen. Fragt man in der Klasse die Kinder nach eignen Erfahrungen, die sie bereits mit Cybermobbing gemacht haben, wird man einige Geschichten hören. Viele traurige Geschichten. Viele tragische Geschichten. Und all diese Geschichten verändern das Selbstbild unserer Kinder.

 

WAS VERSTEHT MAN EIGENTLICH UNTER CYBERMOBBING

Cybermobbing ist das Erniedrigen und Fertigmachen (Mobben) einer Person im Netz, sprich im sogenannten Cyberspace.

 

Der größte Unterschied zum Mobbing von früher ist die schnelle und einfache Verbreitung von Beleidigungen und Bloßstellungen in der digitalen Welt. Hinzu kommt das anonyme Mithetzen der sogenannten Bystander. Während früher auf dem Schulhof der Konflikt ‚vis-à-vis‘ stattfand, schlimmstenfalls eine kleine Gruppe gegen einen, findet nun das Mobbing in einer viel größeren Dimension statt. Mitschülerinnen und Mitschüler, die man vielleicht gar nicht kennt, melden sich zu Wort und verbreiten die Inhalte. Diese eigentlich Unbeteiligten haben eine wichtige Rolle im Cybermobbing Prozess. Ein weiterer Unterschied, die Beleidigungen hören nicht am Schultor auf, sondern verfolgen das Opfer überall mit hin, denn das Handy ist immer dabei. Hinzu kommen noch die neuen Methoden, waren es früher hauptsächlich verletzende Worte, werden jetzt im virtuellen Raum, Videos, bearbeitete Fotos, persönliche Bilder oder Memes verbreitet.

 

Was kann man tun, um das eigene Kind vor Cybermobbing zu schützen?

 

Der erste verständliche Impuls: Niemals nie bekommt er ein Handy! Ich halte ihn von allen Medien fern. Der Kontakt zu den engsten Freunden kann über das ‚Drehscheiben-Telefon‘ stattfinden und er darf nur in Büchern lesen – Ja genau, sehr naiv, aber ich wünsche ihm meine Kindheit.

 

Aber jetzt mal ehrlich – Fakt ist, die virtuelle Welt ist ein Teil unseres Alltags und der unsere Kinder sowieso. Wir nutzen WhatsApp Familiengruppen, Suchmaschinen für das nächste Referat, Google Maps für die Fahrradtouren, Einkaufs- und Geschenk-Listen auf dem Handy und und und. Die Welten vermischen sich immer mehr und wir können unsere Kinder die virtuelle Welt nicht verweigern, denn sonst wird die reale Welt teilweise kompliziert.

Was man aber machen kann, sind folgende Tipps:

  • Das Gespräch mit deinem Kind sollte immer an erster Stelle stehen. Geht gemeinsam die Punkte durch.
  • Überprüft die Sicherheitseinstellung für den privaten Bereich der Profile.
  • Das Profil nur für Freunde freigeben, die man aus dem realen Leben kennt. Somit Freundschaftsanfragen von fremden Menschen ablehnen.
  • Im Profil sollte nie die vollständige Adresse oder die Handynummer vermerkt sein.
  • Frag dein Kind, wie es von seinen Freunden behandelt werden möchte?
  • Sprecht über einen respektvolles miteinander – On- und Offline. Wie es selbst behandelt werden möchte, so sollte es auch seine Freunde behandeln.
  • Kläre auch darüber auf, dass eine Mobbinghandlung auch eine Straftat sein kann. Es gibt verschieden Gesetze, wie z. B. § 186 StGB: üble Nachrede. Kläre dein Kind auch über die Folgen dieser Straftaten auf.
  • Besprecht, welche Folgen bestimmte Handlungen für die Zukunft haben können. Zum Beispiel im Hinblick auf kommende Vorstellungsgespräche. Diese Denkanstöße helfen vielleicht, die Verbreitung eigener Fotos und Videos zu reflektieren. Möchte deine Tochter wirklich, dass der künftige Chef bereits ein Foto ihrer Brüste gesehen hat? Oder dein Sohn völlig besoffen über der Kloschüssel hängt? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Jugendliche noch gar nicht so weit gedacht haben.
  • Fragt in der Schule nach, ob das Thema Cybermobbing in der Klasse besprochen wird. Aus meiner Sicht gehört es genau dahin. Und tatsächlich auch schon in der Grundschule, sobald die ersten Handybesitzer auftauchen. Im Unterricht haben die Kinder in der Gruppe die Chance, das Thema zu diskutieren und zu reflektieren.
  • Immer wieder natürlich die Vorbildfunktion. Überlege, wie du dich selbst auf den sozialen Netzwerken äußerst. Kommentierst du alles, was du liest? Vor allem aber wie kommentierst du?

Cybermobbing ist keine harmlose Sache

Lasst uns immer im Dialog bleiben. Mit unseren Kindern, mit anderen Eltern und auch mit uns selbst. Cybermobbing ist keine harmlose Sache.

Wir sollten immer wieder versuchen,

  • unsere Kinder zu sensibilisieren
  • sie stärken eine klare Haltung einzunehmen
  • sie zu lehren, respektvoll On- und Offline miteinander umzugehen.
  • die Grenzen der anderen zu akzeptieren und zu berücksichtigen.
  • sie aufzuklären, nicht als Bystander mit zu hetzen, sondern einzugreifen, wenn sie von Mobbing-Ereignissen erfahren.
  • sich Hilfe zu holen bei Mobbing-Attacken.
  • und ihnen immer wieder als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen

Wenn unsere Kinder und wir selbst, all das schon mal verinnerlichen, dann schaffen wir einen kleinen Anti-Mobbing-Schritt. Je mehr Eltern dieses Thema angehen, umso größere die Strahlkraft!

 

Was meinst du? Magst du gemeinsam mit deinem Kind und mir einen Anti-Mobbing-Schritt zu gehen?

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